Der Weg ist das Ziel: Wer sich heutzutage nach Santiago de Compostela aufmacht, der sucht Antworten auf Lebensfragen, hofft auf spirituelle Erlebnisse, braucht eine Pause vom Alltag oder freut sich an der sportlichen Betätigung. Gründe für eine Pilgerreise gibt es so viele wie Menschen auf dem Weg – den Wenigsten geht es allerdings darum, die Reliquien des heiligen Jakobus, die unter dem Altar in der Kathedrale von Santiago (angeblich) begraben liegen, zu verehren (Siehe auch meinen Text «Welche Knochen liegen in Santiago?»).
Im Gegensatz zum Mittelalter, wo die Menschen die Mühsal einer Reise nach Santiago nur deshalb auf sich nahmen, um in der Nähe der Gebeine auf ein Wunder zu warten oder die Sünden vergeben zu bekommen.
Die Nähe zu den Reliquien war also der springende Punkt. Und je mächtiger ein Heiliger war, desto grösser seine Macht, Wunder zu wirken. Und wer könnte das besser als ein Jünger Jesu?
Jakobus war einer der Zwölf Jünger
Jakobus der Ältere war einer der ersten Jünger, die Jesus laut Neuem Testament zu sich rief. In Markus 3,16 lesen wir:
«Und er setzte die Zwölf ein: Simon – ihm gab er den Namen Petrus – und Jakobus, den Sohn des Zebedäus, und Johannes, den Bruder des Jakobus – ihnen gab er den Namen Boanerges, das heißt: Donnersöhne…
Laut den Evangelien bildeten Jakobus, Simon und Johannes so etwas wie den «Inner Circle» von Jesus. Waren die drei doch in entscheidenden Momenten in Jesu Leben anwesend: bei der Verklärung (Mt 17.1) und beim Gebet im Garten Gethsemane (MK 14.33).
Allerdings schien die Sonderstellung den Brüdern zu Kopf gestiegen sein: Im Markus Evangelium fordern Jakobus und Johannes von Jesus, nach ihrem Tod im Himmel zur «Rechten und Linken» des Gottessohnes sitzen zu dürfen – die Abfuhr erfolgt freilich prompt.
Jakobus starb in Jerusalem
In der Apostelgeschichte, welche die Geschichte der Urgemeinde nach Jesu Kreuzigungstod beschreibt, erfahren wir schliesslich, dass Jakobus im Jahr 43 auf Geheiss von König Herodes Agrippa I. enthauptet wurde.
Damit enden die schriftlichen Überlieferungen zu Jakobus dem Älteren – inwieweit die Erzählungen im Neuen Testament historische Fakten widerspiegeln, ist freilich ungewiss.
Eindeutig ins Reich der Legenden, die erst ab dem 8. Jahrhundert entstanden sind, gehört dagegen alle jene Geschichten, die von Jakobus Wirken als Missionar in Spanien erzählen. Es gibt keinerlei Beweise, dass «Santiago el Mayor» jemals einen Fuss auf die iberische Halbinsel setzte (siehe auch meinen Text zu ABC) – aber das schmälert die Faszination des Jakobsweges in keiner Weise.
Bibliographie
Die folgenden Bücher geben einen vertieften Einblick in die Hintergründe des Jakobsweges.
Herbers, Klaus: Jakobsweg. Geschichte und Kultur einer Pilgerfahrt, C.H. Beck, München 2006.
Herbers, Klaus: Der Jakobsweg. Ein Pilgerführer aus dem 12. Jahrhundert, Reclam, Stuttgart 2008.
Marten, Bettina: Der spanische Jakobsweg. Ein Kunst- und Kulturführer, Reclam, Stuttgart 2011.
Plötz, Robert (Hrsg): Europäische Wege der Santiago-Pilgerfahrt, Jakobsweg-Studien Band 2, Gunter Narr, Tübingen 1993.
von Saucken, Paolo Caucci (Hrsg): Pilgerwege. Santiago de Compostela, Pattloch, Augsburg 2005